Die Liste von Berlusconis Prozessen ist beeindruckend für einen amtierenden Ministerpräsidenten. Silvio Berlusconi ist in zahlreiche Betrugs-, Steuer- und Bestechungsaffären verwickelt, schaffte es aber immer wieder, strafrechtlich unbeschadet aus den Prozessen hervorzugehen, obwohl er meistens nicht freigesprochen wurde. Nur ein einziges Mal wurde Berluconi 1990 rechtskräftig wegen Falschaussage vor Gericht verurteilt. Er leugnete jegliche Mitgliedschaft an den Machenschaften der berüchtigten Geheimloge P2. Durch eine gerade anstehende Amnestie wurde die Strafe jedoch nicht vollzogen.
Da in Italien eine relativ kurze Verjährungsfrist für bestimmte Straftaten besteht, schafften es Berlusconis Anwälte durch geschickte Verzögerungstaktiken, die Prozesse immer wieder durch die Instanzen zu ziehen, bis sie vor einem endgültigen Urteil verjährt waren. Das italienische Recht kennt hierbei keine aufschiebende Wirkung der Verjährungsfristen.
Noch wirksamer als die Verzögerungstaktik ist die ungenierte Änderung der bestehenden Gesetze an seine Eigeninteressen. Seit 2001 hat Berlusconi durch zahlreiche Dekrete dafür gesorgt, daß die Richter quasi keine Handhabe mehr gegen ihn haben und er alle Prozesse unbeschadet überstehen kann.
Berlusconis Anpassung der Gesetze an seine Bedürfnisse
Schon in seiner ersten Amtszeit 1994 versuchte Berlusconi, die Justiz nach persönlichen Vorgaben zu schwächen. Damals sassen 3000 Manager nach den Schmiergeldenthüllungen in Untersuchungshaft. Berlusconi erliess ein Gesetz, nach dem verdächtige Wirtschaftsverbrecher nicht in Unteruchungshaft sitzen müssen und jeder sich informieren kann, ob gegen ihn ermittelt wird. Nach starkem Druck seines Koalitionspartners (Lega Nord) zog Berlusconi dieses Gesetz jedoch wieder zurück.
Bilanzfälschung
Berlusconis Problem:
2001 war Berlusconi in drei Verfahren wegen Bilanzfälschung angeklagt: Im Medusa-Prozess war 1997 er in erster Instanz zu 16 Monaten Haft verurteilt worden und die Verfahren um die Fussballtransaktionen beim AC Milan und beim SME-Konzern liefen noch.
Seine Lösung:
Schon im September 2001, kurz nach seiner Machtübernahme, änderte er kurzerhand das entsprechende Gesetz. Nach der neuen Regelung gilt die Bilanzfälschung nur noch als Ordnungswidrigkeit und wird erst dann verfolgt und mit Bußgeld belegt, wenn die gefälschte Summe mehr als 5% des Umsatzes ausmacht. Abgehörte Telefonate dürfen nicht verwendet werden.
Und das wichtigste für Berlusconi: Die Verjährungsfristen wurden bei Aktiengesellschaften von 15 auf 7 1/2 Jahre verkürzt und bei nicht-notierten Firmen sogar auf 4 1/2 Jahre.
Ermittlungen dürfen auch erst bei einer Anzeige von Aktionären oder Kreditgebern vorgenommen werden, ein herber Rückschlag für die Ermittler, denn bei dieser Regelung wäre es bspw. nie zur Aufdeckung des giantischen Schmiergeldskandals Tangentopoli gekommen, der italiens Parteiensystem Anfang der 90er Jahre erschütterte.
Und das Beste: Diese Regelungen sollten auch für laufende Verfahren gelten. Somit kommt auch Berlusconi in den Genuss dieser Regelung.
Europäische Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden
Berlusconis Problem:
Die Italienischen Ermittler benötigten in den Verfahren gegen Berlusconi und besonders gegen seinen Vertrauten dell`Utri Unterstützung von Seiten der Schweizer Justiz. 1998 vereinbarten die Schweiz und Italien eine gegenseitige Unterstützung.
Seine Lösung:
Da Italien das Gesetz bei seiner Machtübernahme 2001 noch nicht ratifziert hatte, legte Berlusconi ein ungewöhnliches Tempo an den Tag. In Rekord verdächtiger Zeit wurde das Gesetz, das eigentlich zu einem Problem für Berlusconi werden könnte, in nur zwei Monaten durch das Parlament gepaukt. Doch Berlusconi hatte einige kleine Ergänzungen hinzugefügt, die den Geist des Gesetzes ins Gegenteil umkehrten:
Eine Justizhilfe aus der Schweiz sollte nur gewährt werden, wenn die Originale vorliegen, bzw. jedes einzelne Blatt Papier musste als Original beglaubigt werden. Eine undurchführbare Aktion, denn die meisten Daten waren nur auf Computern vorhanden und nach dem neuen Gesetz galten ausgedruckte Papiere nicht als Originale. Und wie gehabt sollte die neue Regelung auch auf bestehende Verfahren angewendet werden.
Praktisch auch, dass das neue Gesetz am 8.10.2001 in Kraft trat, denn am 9.10.2001 begann das Verfahren gegen Berlusconis rechte Hand Previti. Doch im März 2002 wurde das Gesetz dann vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben.
Im Prozess gegen Berlusconi wegen Filmrechte-Transaktionen blockierte im Juli 2003 das Justizministerium dann die angebotene juristische Hilfe/Dokumente aus den USA.
Freie Wahl des Gerichtsortes
Berlusconis Problem:
Nachdem das Gesetz zur Behinderung der juristischen Zusammenarbeit mit der Schweiz gescheitert war, kam Berlusconi auf eine neue Idee, um seine Verfahren zu verzögern.
Seine Lösung:
Bei einem legitimen Verdacht auf Befangenheit kann der Prozess in eine andere Stadt verlegt werden und muss wieder von vorne beginnen. Da dies jedoch keine aufschiebende Wirkung auf die Verjährungsfristen hat, können Urteile dadurch leicht verhindert werden. Für Berlusconi ist es auch positiv, dass diese Regelung auch für laufende Prozesse gelten soll.
Berlusconi konnte dieses unverfrorene Gesetz nur durch die Drohung einer Parlamentsauflösung durchsetzen. 1 Million Menschen demonstrierten in Rom gegen das Gesetz, doch im November 2002 trat es in Kraft. Schon kurze Zeit später stellte auch prompt C. Previti einen solchen Antrag, der jedoch Anfang 2003 vom Obersten Gerichtshof abgelehnt wurde.
Keine Prozesse gegen Amtsträger
Berlusconis Problem:
Der Prozess gegen Previti näherte sich dem Ende und die vorherigen Gesetze hatten nicht den erhofften Erfolg gezeigt.
Seine Lösung:
Verfahren gegen Parlamentarier müssen eingefroren werden, solange sie im Amt sind. Die meisten angeklagten Berlusconi-Helfer (u.a. Previti) und Berlusconi selber sitzen im Parlament
und wären damit vor Verfolgung geschützt bis sie das folgende Gesetz nutzen können: ein spezielles Gesetz, das über 65-Jährige in gewissen Fällen vor der Strafverfolgung schützt.
1993 waren die schärferen Abgeordnetengesetze in Folge des landesweiten Schmiergeldskandals eingeführt worden. Berlusconi wollte nun wieder zu der Regelung vor 1993 zurückkehren, konnte aber im Parlament nur durchsetzen, das die 5 höchsten Amtsträger nicht angeklagt werden dürfen (Juni 2003).
Eine Regelung von der er als Ministerpräsident profitierte. Aber nicht sehr lange, denn auch diese Gesetz wurde am 13.1. 2004 vom Obersten Gerichtshof einkassiert. Damit konnte der SME-Prozess gegen Berlusconi wieder aufgenommen werden.
Weitere Gesetze, von denen Berlusconi persönlich profitiert
Gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit schaffte Berlsuconi, der reichste Mann Italiens, kurzerhand die Erbschaftssteuer komplett ab (18.10.2001). Daneben führte er eine Amnestie für Schwarzgelder, die ins Ausland transferierten worden waren, ein. Demnach können Schwarzgelder straffrei und anonym wieder eingeführt werden. Die Besitzer müssen nur 1,8% Steuern zahlen statt bis zu 50%. Damit kann auch schmutziges Geld leicht legalisiert werden.
Unangenehm für Berlusconi waren auch Ermittlungen durch den berüchtigten spanischen Untersuchungsrichter Garzón, bei denen es um Bilanfälschung, Betrug und Umgehung der Konzentrationsvorschriften beim Kauf eines spanischen Senders durch Berlusconi ging. Lange widersetzte sich Berlusconi daher der Zustimmung zum Europäischen Haftbefehl, die die Ermittlungen in Spanien erleichtert hätten. Der Euro-Haftbefehl sollte 32 Delikte umfassen. Zu viele Delikte, wie Berlusconi meinte. Er legte sein Veto ein, denn er wollte Wirtschaftsdelikte wie Geldwäsche, Korruption und Betrug streichen.
Mitte 2002 wurde der Europäische Haftbefehl schließlich doch beschlossen. Er wird mittlerweile in allen Mitgliedstaaten angewandt. Mit einer Ausnahme: Italien.
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